top of page

Eine Farm in Afrika

Nicole Hein

Drei Wochen waren wir in Südafrika unterwegs. Neben ein paar Souveniers habe ich 1000 Videoclips und 1500 Fotos mitgebracht - und so viele Eindrücke, die ich hier mit euch teilen möchte.
Drei Wochen waren wir in Südafrika unterwegs. Neben ein paar Souveniers habe ich 1000 Videoclips und 1500 Fotos mitgebracht - und so viele Eindrücke, die ich hier mit euch teilen möchte.

Kap-Halbinsel mit Kapstadt, Simon's Town, Tafelberg und Kap der Guten Hoffnung, danach über Struisbaai nach Wilderness, über die Garden Route bis zum Addo Elephant Park und über Plettenberg und Riversdale nach Stellenbosch zurück. Für unsere Reise im Süden Südafrikas haben wir uns sichere und malariafreie Regionen ausgesucht und waren nie länger als dreieinhalb Stunden am Stück unterwegs – die perfekte Tour mit Kindern. Wir waren mit einem befreundeten Paar unterwegs, das einen sechsjährigen Sohn hat. Unsere Tochter Mathilda war im Februar 2025 viereinhalb Jahre alt und hat alles grandios mitgemacht.


Wo fange ich an? Bei der Giraffe, die mir so nah kam, dass ich sie streicheln konnte? Beim Robberg Nature Reserve, bei einer der schönsten Wanderungen meines Lebens? Bei den Sonnenaufgängen, die mein Herz für einen Moment stillstehen ließen? Oder auf der Farm, die wir fast am Ende unserer dreiwöchigen Reise besucht haben, die aber am ehesten dem Südafrika nahekam, das ich mir vorher in meiner Fantasie ausgemalt hatte.



 Mathilda am Boulders Beach
Mathilda am Boulders Beach


Dazu muss ich sagen: Ich war schon einmal in Südafrika, damals aber nur fünf Tage in Kapstadt, Stellenbosch und einigen Orten der Kap-Halbinsel. Die fünf Tage hatten meine Freundin Marlene und ich an unsere dreiwöchige Reise durch Namibia angehängt und schworen uns: Hierher kommen wir noch einmal länger. Es hat zwar etwas gedauert, doch ziemlich genau zehn Jahre später stand ich mit meinem Mann und unserer Tochter am Flughafen Kapstadt, um unseren Mietwagen in Empfang zu nehmen, der uns drei Wochen lang über die Garden Route bis Addo und wieder zurückbringen würde. Wir haben zu Beginn unserer Reise 4000 Rand (ca. 200 Euro) abgehoben und hatten Mühe, das Bargeld auszugeben. Abgesehen von zwei, drei Mautstellen konnten wir überall mit Kreditkarte zahlen - oft wurde gar kein Bargeld akzeptiert.


Unsere Route ist wohl die typische Route für Südafrika-Neulinge oder Familien mit kleinen Kindern. Die Orte, die wir bereisten, galten als sehr sicher (abgesehen von ein paar Stadtteilen Kapstadts), es bestand nirgendwo Malaria-Gefahr, und wenn man die Townships ausblendet, an denen man ab und zu vorbeifährt, haben alle Städte eine sehr gute Infrastruktur. Perfekt für Familien. Auf die Townships beziehungsweise auf das, wofür sie stehen, möchte ich später zurückkommen, denn die unübersehbaren Spuren, die die Apartheid hinterlassen hat, haben mich natürlich nicht kaltgelassen!


Pinguine in Simon's Town
Pinguine in Simon's Town

Aber zurück zu unserer Landung in Kapstadt. Wir haben uns gegen eine Bleibe in der Stadt entschieden, da wir uns mit vierjähriger Tochter ohnehin nicht ins Kapstädter Nachtleben gestürzt hätten und wir uns außerhalb der Stadt deutlich sicherer fühlten. Unser Ferienhaus Pingus House liegt in Simon's Town – einem süßen Küstenstädtchen an der False Bay, etwa 40 km südlich von Kapstadt. Die Buchten und Strände dort sind der Hammer – wie fast überall auf der Kaphalbinsel. Hauptattraktion ist der Boulders Beach, wo eine Kolonie Brillenpinguine lebt, denen man wohl selten so nahe kommt wie hier. Sie brüten in Sandmulden, Felsspalten oder unter Büschen und watscheln in Gruppen den Strand entlang. Neben Pinguinen trafen wir immer wieder auf Klippschliefer, die aussehen wie überdimensionale braune Meerschweinchen, aber näher mit Elefanten oder Seekühen verwandt sind als mit Nagetieren. Da wir in Simon’s Town wohnten, konnten wir die Touristenmassen bei den Pinguinen meiden, indem wir einfach abends an die Strände gingen. Mein Tipp ist der Seaforth Beach. Der kostet keinen Eintritt, und wer Glück hat, kommt den Pinguinen hier ganz nah.


Vier Nächte sind wir in Simon's Town geblieben, von wo aus wir Ausflüge nach Kapstadt und auf die Halbinsel unternahmen. Muizenberg, Kap der guten Hoffnung, Tafelberg, V&A Waterfront oder Bo Kaap – all die Orte habe ich vor zehn Jahren schon gesehen und viel hat sich seither nicht geändert. Viele Tipps für Ausflüge hole ich mir aus dem Reiseblog Komm wir machen das einfach, so auch die Fahrt über den Chapman's Peak Drive und die vorgeschlagene Bootstour vom Fischerdörfchen Hout Bay zur Robbeninsel Duiker Island, wo hunderte Seebären auf Felsen liegen oder durchs tiefblaue Meer springen. Für mich das Highlight der ersten Tage in Südafrika. Nicht wegen der Robben (obwohl die natürlich toll waren), sondern wegen der Bootfahrt. Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich Bootfahren liebe. Ich stand die gesamte Fahrt an meinem Lieblingsplatz am Bug und blickte aufs Meer – für mich ein fast meditativer Zustand. So könnte ich Stunden verbringen.





Tatsächlich kam das Meer in diesem Urlaub ein wenig zu kurz. Wir waren zwar an den schönsten Sandstränden und haben zwei Drittel der Zeit fast direkt am Meer gewohnt, nur bin ich kaum schwimmen gegangen. Zum einen wurde oft vor gefährlichen Strömungen gewarnt, zum anderen auf Schildern immer wieder auf den Weißen Hai hingewiesen, der auch mal in den seichten Gewässern Südafrikas rumlungert. Ich weiß: Die Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen zu werden ist viel höher, aber ich bekomme die Bilder des Weißen Hai einfach nicht aus meinem Kopf. Immerhin gibt es entlang der südafrikanischen Küste im Schnitt zwei bis fünf Haiangriffe pro Jahr. Und hey: Das ist nicht nichts!!!


Daher konnte ich nur in den Gezeitenbecken (z.B. Millers Point) entspannt schwimmen, aber zum Glück gab es davon einige. So auch direkt an unserer zweiten Unterkunft Tide's Song in Struisbaai, wo wir eine Nacht Halt machten, da der Weg nach Wilderness ansonsten zu weit gewesen wäre. Unser kleines Apartment am Meer war so schön, dass Matthias und ich am liebsten eine ganze Woche geblieben wären. Die Besitzer wohnten im Haus nebenan. Sie haben die Gästewohnung mit so viel Liebe zum Detail eingerichtet und den Kühlschrank mit veganen Lebensmitteln gefüllt. Sogar frisch gebackenes Brot gab es. Ein paar Kilometer entfernt befindet sich das Cape Agulhas, der südlichste Punkt Südafrikas, an dem sich der Atlantische und der Indische Ozean treffen.


Unterwegs Richtung Garden Route
Unterwegs Richtung Garden Route

Wilderness war die nächste Station unserer Reise. Etwa 320 Kilometer von Struisbaai entfernt, war die kleine Küstenstadt für uns der perfekte erste Stopp an der Garden Route: nur ein kleiner Ortskern, traumhafte Sandstrände und ganz viel unberührte Natur drumherum. Jeden Freitag gibt es am Milkwood Village einen Souvenirmarkt mit Livemusik, ansonsten ist wenig los in Wilderness. Wir hatten ein wunderschönes Ferienhaus mit Garten und Pool - nur zwei Gehminuten vom kilometerlangen Sandstrand entfernt. Leider haben wir es nur morgens und abends dorthin geschafft, da wir tagsüber immer unterwegs waren. Doch die Spaziergänge ganz allein in der Dämmerung zählen für mich zu den schönsten Erinnerungen an diese Reise.


Unser erster Ausflug ging zur Cango Wildlife Ranch. Ein Ort, den wir hauptsächlich wegen unserer Tochter ausgesucht hatten, denn Matthias und ich sind keine Zoo-Fans.

Geparden, Löwen und Leoparden zählen zu den Highlights der Ranch. Die Gepardenbabys durften wir gegen einen kleinen Aufpreis sogar streicheln. Außerdem durfte unsere Maus einen Lemuren auf den Schoß nehmen und ich eine Schlange. Wir haben Erdmännchen, Nilpferde, Otter und sogar eine Krokodilfütterung gesehen. Für die Kinder war es ein Mega-Erlebnis, für mein Fotografenherz ebenso, aber am Ende bleibt es ein Zoobesuch und mir tun Tiere in Gefangenschaft immer leid.



Die Tierbegegnungen am nächsten Tag gefielen mir definitiv besser – wenngleich auch hier Elefanten, Büffel und Co. nicht wirklich in Freiheit lebten. Bei einer Pirschfahrt im Botlierskop Private Game Reserve sahen wir verschiedene Antilopenarten, Gnus, Büffel, Zebras, Giraffen, Elefanten, Nashörner, Nilpferde und Strauße. Unser Safariguide Simba war sympathisch, witzig und extrem gut über alle Tiere informiert, die unseren Weg auf der dreistündigen Fahrt über das riesige Gelände kreuzten. Simba erklärte uns, wie die Tiere zusammenleben und kommunizieren, was sie essen und wie sie ihren Nachwuchs behandeln. Mathilda hatte riesigen Spaß, die verschiedenen Tiere zu entdecken und hatte trotz dreistündiger Fahrt im offenen Geländewagen nie Langeweile.


Das Botlierskop Private Game Reserve ist ein über 4000 Hektar großes privates Wildreservat zwischen Mossel Bay und George. 26 verschiedene Tierarten leben hier – darunter vier der "Big Five" (Elefant, Nashorn, Büffel und Löwe), sowie seltene Arten wie das Schwarze Impala. Da das Gelände sehr weitläufig ist, gibt es keine Garantie, alle Tiere zu sehen. Wir sind zum Beispiel keinem Löwen begegnet - allerdings rechne ich bei Safaris nie mit Löwen und bin dann lieber positiv überrascht als enttäuscht...


Der Ausflug war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis, doch für mich nicht mit einer Safari durch einen Nationalpark vergleichbar. Auch wenn die Tiere im Wildreservat viel Platz zur Verfügung haben, leben sie nicht in Freiheit. Für mich ist es ein seltsames Gefühl zu wissen, dass es im Reservat nur zwei Löwen gibt. Dass sie nie auf Artgenossen treffen werden. Wenn ich mich an die Safaris in Namibia, Kenia und Tansania zurückerinnere, denke ich an riesige Büffelherden, hunderte Zebras oder Springböcke, an denen wir vorbei gefahren sind. So etwas hätten wir hier in Südafrika wohl nur im Krüger-Nationalpark erleben können, auf den wir aber wegen der Malaria-Gefahr verzichtet haben. Dafür haben wir eine Selbstfahrertour durch den Elephant Park in Addo geplant - aber dazu später mehr. Für ein erstes Safari-Erlebnis war Botlierskop vor allem für die Kinder sehr spannend.




Nach so vielen Tier-Begegnungen klingt unser nächster Ausflug recht unspektakulär, doch die Wanderung auf dem Giant Kingfisher Trail nahe Wilderness war perfekt für unsere vierjährige Tochter. Mathilda ist circa die Hälfte der acht Kilometer gelaufen, die andere Hälfte ließ sie sich auf Matthias' Schultern chauffieren. Die Strecke ging fast nur durch den Wald (sehr angenehm bei 30 Grad) und endete an einem kleinen Wasserfall, wo wir schwimmen gingen. Ein Highlight war die Flossüberquerung an einem kleinen Fluss.


Von Wilderness fuhren wir rund 320 Kilometer zum östlichsten Stopp unserer Reise. Die Charihandra Lodge in der Nähe des Addo Elephant Parks zählte zu unseren schönsten Unterkünften. Matthias liebte schon die Anfahrt, die endlich mal über eine Schotterpiste ging und zumindest ein wenig von dem Abenteuer-Feeling mit sich brachte, das wir aus Namibia gewohnt waren. Die wenigen Kilometer "Gravel Road" sind für jedes Auto gut machbar - wir hatten einen VW Polo, dem die holprige Strecke gar nichts ausgemacht hat.


Bei mir hat die Lodge vor allem deshalb gepunktet, weil ich dort meinem Lieblingstier so nah gekommen bin wie nie zuvor. Auf unserer Pirschfahrt durch das Gelände der Charihandra Lodge haben wir Giraffe Lucy getroffen – ein einmaliges Erlebnis. Zwar ist Lucy kein zahmes Haustier, doch ist sie so sehr an Menschen gewöhnt, dass sie immer wieder am Pool oder an den Chalets vorbeispaziert und bei den Pirschfahrten ihren Kopf neugierig in den offenen Geländewagen steckt. So auch bei uns. Nachdem unser Guide Owen uns Zebras, Antilopen und Gnus gezeigt und spontan eine Kaktusfeigen-Verkostung arrangiert hatte, trafen wir auf eine Gruppe Giraffen, von denen eine langsam auf uns zuschritt. Wahnsinn. Ich glaube, Owen merkte schnell, wer der größte Giraffen-Fan im Auto war und fragte mich, ob ich aussteigen und sie füttern wolle.


Einer meiner glücklichsten Momente: Auge in Auge mit Giraffe Lucy

So schnell bin ich nie zuvor aus einem Fahrzeug gesprungen. Ich weiß nicht, was es ist, aber mich haben bei Safaris schon immer am meisten die Giraffen begeistert. Klar sind Löwen, Nashörner oder Geparden viel seltener zu sichten, aber für mich geht nichts über die Giraffen - die anmutigsten Tiere überhaupt. So stand ich also Auge in Auge mit diesem wunderschönen Wesen, hielt ihr einen Bottich Wildfutter hin und durfte sie sogar streicheln. Ein unbeschreibliches Gefühl. Die großen Augen, die langen Wimpern, das perfekt gemusterte Fell. Ihr merkt: Ich war hin und weg!!! Nach mir durften auch die anderen aus dem Fahrzeug steigen und Lucy füttern, während unser Guide die mitgebrachten Getränke öffnete, um mit uns anzustoßen. Ein grandioser Auftakt für unseren dreitägigen Aufenthalt in der Charihandra Lodge.


Die Unterkunft hat uns sehr gut gefallen. Ein liebevoll angelegter Pool, ein kleiner Spielplatz, ein Billardzimmer und ansonsten viel Grün. Wir hatten ein großes Chalet mit Küche, Terrasse, Feuerstelle und Aussichtsplattform zum Sterne beobachten. An einem Abend hatten wir ein leckeres Drei-Gänge-Menü im Restaurant gebucht, ansonsten haben wir Frühstück und Abendessen in der gut ausgestatteten Küche zubereitet und auf unserer oberen Terrasse gegessen oder uns Stockbrot am offenen Feuer geröstet.




Die Lodge hatten wir hauptsächlich wegen ihrer Nähe zum Addo Elephant Nationalpark gebucht, den wir mit unserem Mietwagen selbst erkunden wollten. Nach knapp 25 Minuten Fahrzeit kamen wir am Main-Gate des Parks an, lösten ein Tagesticket und los ging's. Von Owen hatten wir erfahren, dass die meisten Tiere in den Süden des Parks gewandert sind, da es im Norden sehr trocken war.


Auf dem Weg Richtung Süden passierten wir das erste Wasserloch "Marion Baree", das ein paar Elefanten samt Babys für sich eingenommen hatten. Immer wieder kamen neue Dickhäuter hinzu, was zu viel Gerangel und ziemlich lautem Elefanten-Gekreische führte. Nach einer Weile tauchte ein Warzenschwein auf, das sich mehrmals mutig dem Wasserloch näherte, im letzten Moment aber immer einen Rückzieher machte. Genauso verhielt sich eine kleine Zebraherde, die sich in den 45 Minuten, die wir das Schauspiel beobachteten, nie nah genug ans Wasser wagten, um zu trinken. Wir hätten hier ewig bleiben und beoachten können, doch irgendwann beschlossen wir, weiterzufahren.


Action am Wasserloch "Marion Baree"

Der Nationalpark ist einer der größten und bekanntesten in Südafrika. Er wurde 1931 gegründet, um die damals vom Aussterben bedrohten Elefanten der Region zu schützen. Heute beherbergt der Park über 600 Elefanten sowie viele andere Wildtiere - unter anderem Löwen, Leoparden, Zebras, Antilopen, Hyänen, Nashörner und Büffel. Sogar Wale und Haie sind in den angrenzenden Meeresgebieten zu finden – der Park schützt also die "Big Seven". Löwen und Leoparden haben wir zwar nicht gesehen, aber dafür unzählige Zebras und Elefanten, die uns immer wieder den Weg versperrten und direkt zu unserem Autofenster kamen. Das Fernglas hätten wir in der Lodge lassen können. Wir trafen einen kleinen Schakal und immer wieder Warzenschweine mit Babys, die süßer kaum hätten sein können. Über sechs Stunden haben wir nur im Auto gesessen und uns keine Sekunde gelangweilt. Mathilda war begeistert, was wohl auch daran lag, dass sie jedes Tier, das unseren Weg kreuzte auf einer Liste, die wir am Eingang bekommen hatte, abhaken durfte.





Ich hatte angekündigt, auch das Thema Apartheid anzuschneiden, doch es will nirgendwo so richtig passen. Deshalb hier ein kurzer Exkurs zu dem nicht ganz so schönen Aspekt unserer Reise. Ein paar Tage vor unserem Abflug hatten wir die Doku "Südafrikas Kap-Region – Unterwegs am schönsten Ende der Welt!" gesehen und uns über die ausnahmslos positive Berichterstattung gewundert. Die Protagonisten des Films schwärmten von Kapstadt, der schönsten Stadt der Welt, in der Menschen aller Hautfarben und Kulturen in Friede und Freude zusammenlebten. Alles wirkte, als hätte Südafrika die Apartheid überwunden und Gleichberechtigung für alle durchgesetzt.


Was uns etwas wunderte, war, dass kein Wort über die Kriminalität in Kapstadt verloren wurde. Als ich vor zehn Jahren mit meiner Freundin in Kapstadt war, gab es so einige Situationen, in denen uns klar wurde, dass man hier sehr darauf achten sollte, im Dunkeln nicht ins falsche Viertel zu geraten und stets wachsam zu sein. Uns ist zwar damals nichts Schlimmes passiert, doch hat uns tagsüber mitten im Touristengebiet ein Mann bedroht. Nicht mit einem Messer, aber mit unmissverständlichen Worten. "Wenn ihr mir kein Geld gebt, nehme ich euch alles ab, was ihr dabei habt." Eine von mehreren Situationen, in denen ich mich nicht ganz so sicher gefühlt habe.


Kapstadt ist noch immer nicht gänzlich ungefährlich. Es gibt auf Hochglanz polierte Viertel, in denen hauptsächlich Weiße und Touristen unterwegs sind, während andernorts Schwarze in heruntergekommenen Wellblechsiedlungen hausen. Während der Apartheid (1948 - 1994) wurden alle Schwarzen zwangsweise in diese Townships umgesiedelt. Während der rassistischen Trennungspolitik diskriminierte die weiße Minderheitsregierung die nicht-weiße Mehrheit durch Gesetze, die ihnen ihr Land, ihre Rechte und ihre Bewegungsfreiheit nahmen. Alles war getrennt: Strände, Toiletten, Busse, Schulen, Krankenhäuser, Parkbänke... Schilder wie „Whites Only“ (Nur für Weiße) waren überall zu finden. In der Schule durften Schwarze nur Dinge über Handwerk und Landwirtschaft lernen. Der damalige Bildungsminister sagte: "Warum sollte ein Schwarzer Mathematik lernen, wenn er nur für einen weißen Arbeitgeber arbeiten wird?" Unfassbar!


Und obwohl die Gesetze nach internationalen Sanktionen und wachsendem Druck vor über 30 Jahren abgeschafft wurden, sind die Folgen der Apartheid bis heute spürbar. Die Trennungspolitik hatte die schwarze Bevölkerung daran gehindert, Wohlstand aufzubauen (Landbesitz, Bildung, Jobs) und weiße Südafrikaner verdienen heute im Schnitt drei bis fünfmal mehr als Schwarze. Millionen Schwarze leben weiterhin in Townships oft ohne Strom und sauberes Wasser. Kapstadt ist eine der am stärksten sozial gespaltenen Städte der Welt. Während der Apartheid wurde fast 90 Prozent des Landes an Weiße gegeben - aktuell machen Weiße nichtmal zehn Prozent der Gesamtbvölkerung Südafrikas aus.


Ein kleines Township im Vorbeifahren fotografiert
Ein kleines Township im Vorbeifahren fotografiert

So erlebten wir es auch in den Lodges, die wir besucht haben. Manche weiße Familien besitzen tausende Hektar Land, während sich in den Townships, an denen wir vorbeifahren, tausende Wellblechhütten auf wenige Hektar Fläche zwängen. Hotels, Restaurants und Unternehmen werden offenbar immer von Weißen geführt und Schwarze verrichten die Arbeit. An jeder Baustelle stehen schwarze Menschen den ganzen Tag in der prallen Sonne und schwenken rote Fahnen, um die Fahrer auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. An Tankstellen steht an jeder Zapfsäule ein schwarzer Mann, der uns für ein wenig Trinkgeld sämtliche Arbeit abnimmt, an jedem Supermarkt steht in der Gemüseabteilung ein schwarzer Mensch, der das Obst und Gemüse abwiegt und auf dem Parkplatz passen schwarze Männer auf die Autos auf.


Vor der Anreise zur Charihandra Lodge hatte uns der Manager gewarnt, das Township Motherwell unter allen Umständen zu meiden und lieber einen Umweg von einer Stunde in Kauf zu nehmen. Beim Blick auf Google-Maps kann man die Zustände des Townships erahnen. In dieser Wellblech-Megacity, die aber nur einen Bruchteil der Küstenstadt Port Elizabeth einnimmt, leben rund 50 Prozent aller 300.000 Einwohner. Unglaublich!!!


Wäre Mathilda nicht dabei gewesen, hätten wir sicher einmal eine geführte Tour durch ein Township gemacht, um zu sehen, wie die Menschen dort leben und um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Denn wie schon in Namibia scheint es eine unsichtbare Linie zwischen uns und der schwarzen Bevölkerung zu geben. Egal wo sie uns begegneten, liefen sie meist mit gesenktem Kopf an uns vorbei und wirkten auf den ersten Blick desinteressiert bis feindselig. Sobald wir grüßten und lächelten, wandelte sich die Situation und wir wurden herzlich zurückgegrüßt. In einem Land mit so viel sozialer Ungleichheit und einer oft angespannten Atmosphäre, ist es vermutlich nicht ungewöhnlich, dass Menschen sich distanziert verhalten. Ein freundliches Lächeln oder ein Gruß signalisiert vielleicht: „Ich sehe dich als gleichwertigen Menschen“ – etwas, das historisch nicht der Fall war. Der Gedanke daran macht mich so unglaublich wütend und traurig. Das Trauma der Apartheid ist noch lange nicht überwunden. Viele Schwarze fühlen sich zurecht weiterhin benachteiligt. Rassismus und Misstrauen sind immer noch Teil des Alltags in Südafrika.


Ich könnte mich noch ewig über dieses Thema auslassen, doch dann würde ich die Kurve zurück zu unserer Reise vermutlich gar nicht mehr kriegen. Kommen wir zu Plettenberg Bay, dem nächsten Stopp unseres Trips, der wieder zurück Richtung Westen führt. 250 Kilometer lang ist die Strecke zu unserem neuen Ferienhaus, das zwei Gehminuten vom Strand Robberg 5 entfernt liegt. Ein Strand, an dem ich jeden Morgen den Sonnenaufgang sehen konnte. Einmal habe ich es sogar zusammen mit Mathilda rechtzeitig zum Meer geschafft - genau eine Minute bevor der Sonnenball aufgetaucht ist.


Robberg 5 bei Sonnenaufgang
Robberg 5 bei Sonnenaufgang

Plettenberg Bay bietet nicht nur einige traumhafte Strände, sondern liegt auch ideal für Ausflüge in den Tsitsikamma Nationalpark und das Robberg Nature Reserve. Letzteres liegt nur wenige Kilometer entfernt und ist bekannt für seine Robbenkolonien. Ich hatte mich auf den Ausflug dorthin gefreut, aber dass es so atemberaubend sein würde, hätte ich nicht erwartet. Wir entschieden uns für die mittellange Tour und wanderten drei Stunden über diese spektakuläre Halbinsel. Es war fast unmöglich, den Blick auf den Weg zu richten, da sich hinter jeder Biegung ein noch grandioseres Panorama offenbarte – eine echte Herausforderung für mein Fotografinnenherz!


Mal führte der Pfad durch weichen Sand, mal über zerklüftete Felsen, über die Mathilda wie eine kleine Bergziege hüpfte. Grüne Hügel wechselten sich mit schroffen Klippen ab, und überall um uns herum schimmerte der Indische Ozean in allen erdenklichen Blautönen.

Immer wieder konnten wir Robbenkolonien von oben beobachten. Die Tiere lagen träge auf den Felsen oder spielten im Wasser. Und als wäre das nicht schon genug, entdeckten wir sogar Delfine, die durch die blauen Wellen glitten.


Mathildas Highlight war eine große Sanddüne, die wir bis zum Meer hinunterrannten – um dann zwischen zwei Stränden eine Pause einzulegen. Zurück führte der Rundweg über die andere Seite der Insel und war nicht weniger spektakulär. Das Robberg Nature Reserve hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen.





Am nächsten Tag fuhren wir in den Tsitsikamma Nationalpark, etwa eine Stunde entfernt. Auch diese Wanderung war wunderschön, wenn auch nicht ganz so überwältigend wie die im Robberg Nature Reserve. Besonders haben uns hier die drei Hängebrücken beeindruckt. Am Rastplatz beobachteten wir die Wellen, die mit voller Wucht gegen die Felsen schlugen und meterhohe Gischtfontänen in die Luft schleuderten.


Auf dem Rückweg machten wir Halt an der Bloukrans-Brücke, einem der höchsten Bungeesprung-Orte der Welt. Matthias und ich waren uns vorher sicher gewesen, dass wir auf keinen Fall springen würden – doch als wir dort standen, waren wir doch kurz versucht... Wären wir ohne Mathilda unterwegs gewesen, hätten wir es vielleicht gewagt. Am Ende einigten wir uns darauf, mal wieder einen Fallschirmsprung zu machen – und das Bungeejumping sein zu lassen.





In Plettenberg Bay verbrachten wir fünf Tage und legten tatsächlich auch mal einen faulen Tag ein – mit Auszeit an Pool und Strand, Lesen, Eis und Pizza essen und ganz vielen Brettspielen. Sogar eine Massage haben wir uns gegönnt – sehr empfehlenswert: Thai Massage by Mona Lisa). So richtig Urlaub eben...


Plettenberg Bay ist unser letzter Stopp am Meer. Hier bin ich jeden Morgen Kilometerweit gelaufen.
Plettenberg Bay ist unser letzter Stopp am Meer. Hier bin ich jeden Morgen Kilometerweit gelaufen.

Am Anfang hatte ich die Farm erwähnt, die meiner Vorstellung von Südafrika am nähesten gekommen ist. Ursprünglich hatte ich die Oudebosch Guest Farm nur für eine Nacht gebucht, da uns die 500 Kilometer zwischen Plett und Stellenbosch zu weit waren. Spontan verlängerten wir auf zwei Nächte und ich hätte noch ewig bleiben können.


Vom Strand in die Berge – vom schicken Plettenberg Bay auf eine Farm mitten im Nirgendwo. Nur 240 Kilometer trennen die beiden Orte, doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein. 18 Kilometer Schotterpiste liegen zwischen dem kleinen Ort Riversdale und der Oudebosch Farm, wo wir in einer von drei Gästehütten übernachteten. Zwei Schlafzimmer - jeweils mit Balkon und Bad, ein Wohnraum mit Küche, Sofas und Essecke – all das durften wir zwei Tage und Nächte unser Eigen nennen. Mein Lieblingsraum war der Wintergarten mit Blick auf die Berge und gemütlichen Ohrensesseln vor einem offenen Kamin.


Anfahrt zur Oudebosch Guestfarm
Anfahrt zur Oudebosch Guestfarm

Vor dem Haus hatte Eigentümerin Linda ein Trampolin für unsere Kinder aufgestellt. Zudem hat sie Mathilda eine Kiste Barbies vorbeibringen lassen und eine schwarze Stute, die wir gemeinsam bürsten durften.


Auf der Farm leben nicht nur Pferde, Hunde und Kühe, sondern auch Antilopen, Zebras, Bunt-, Busch- und Springböcke. Doch das Land ist so weitläufig, dass man viele Tiere nur in der Ferne erahnen kann. Zwischen Palmen und Laubbäumen blühen bunte Sträucher und Blumen – mitten im Grün liegt ein großer Teich voller Seerosen. Ein verstecktes Idyll in den Bergen.


Wir durften hier überall wandern, den wunderschön angelegten Pool und das Gemeinschaftsgebäude mit Billardzimmer und Terrasse nutzen. Auf der Farm haben wir in den Tag hineingelebt, die unendlich scheinenden Landschaften bewundert und die Stille genossen. Die Abende haben wir vor dem Kamin ausklingen lassen - zwischen prasselndem Feuer und unzähligen Sternen am Himmel. Schöner geht Urlaub kaum.



Last Stop: Stellenbosch. Wer hierher kommt, besucht Weingüter und nimmt mindestens an einer Weinprobe teil. Stellenbosch ist eine der ältesten und bekanntesten Städte Südafrikas, etwa 50 km östlich von Kapstadt. Sie hat nur 20.000 Einwohner, bietet aber unzählige Restaurants, Bars, Cafés und Geschäfte. Die Stadt ist bekannt für ihre kapholländische Architektur, die von Eichen gesäumten Straßen und ihre lebendige Kunst- und Kulturszene. Stellenbosch liegt inmitten der Cape Winelands und ist berühmt für ihre Weingüter, die einige der besten Weine der Welt produzieren.


Irgendwie wirkt Stellenbosch ganz anders als die anderen Orte, die wir in Südafrika besucht haben. Hier sind gleichermaßen schwarze und weiße Studenten unterwegs, und auch in Restaurants und Geschäften arbeiten Menschen aller Hautfarben zusammen. Nicht alles erinnert hier an die Apartheid – so zumindest unser Eindruck.





Stellenbosch ist die erste Stadt, in die wir auswandern würden – wobei es natürlich schwer ist, einen Ort in etwas über 24 Stunden wirklich zu beurteilen. Wir sind Dienstagmittag angekommen und Mittwochnachmittag schon wieder zum Flughafen aufgebrochen. Abgesehen von einer Stunde am Pool unseres Hotels Bonne Esperance waren wir die gesamte Zeit im Ort unterwegs, haben eine der besten Pizzen unseres Lebens gegessen, zweimal riesige Portionen Eis verdrückt und in einem richtig guten veganen Restaurant die halbe Karte bestellt. Wir haben den botanischen Garten der Universität besucht, kleine Geschäfte erkundet und sind durch die wunderschönen Straßen geschlendert. Ein wirklich schöner Abschluss unserer Südafrikareise.


Auch der Weg hierher war großartig: Immer wieder ging es über Schotterpisten, vorbei an Bergen, grünen Hügeln, tiefen Schluchten und Flüssen. Auf der Route 62, der "Route 66 Afrikas", haben wir am Retro-Diner Diesel & Crème gehalten und Milchshakes getrunken. Wieder kam ein wenig von dem Roadtrip-Gefühl auf, das wir in Namibia ständig hatten.


Über die Route 62 – die Route 66 Südafrikas – nach Stellenbosch
Über die Route 62 – die Route 66 Südafrikas – nach Stellenbosch

So spektakulär viele Orte in Südafrika auch waren – an unsere Reise durch Namibia vor zwei (und vor zehn) Jahren kam dieser Urlaub nicht ganz heran. In Namibia war der Weg das Ziel: Jede Fahrt war etwas ganz Besonderes. Damals waren wir mit unserem Geländewagen unterwegs, haben auf den meist ungeteerten Straßen stundenlang kein anderes Auto gesehen – dafür umso mehr Tiere. Und Landschaften, die nicht von dieser Welt schienen. Namibia war Freiheit und Abenteuer pur. Südafrika war dafür einfacher zu bereisen, und wir mussten keine Angst haben, mit einem platten Reifen irgendwo im Nirgendwo zu stehen.

Hier waren wir zu 95 Prozent auf gut ausgebauten Straßen unterwegs, standen vor Städten auch mal im Stau – weshalb die Fahrten eher Mittel zum Zweck als Abenteuer waren. Trotzdem war es eine grandiose Reise, die viel zu schnell vorbeiging.


Ich habe in diesem Beitrag Links zu Unterkünften, Restaurants und Aktivitäten eingefügt, die ich persönlich empfehlen kann. Es handelt sich um unbezahlte Empfehlungen – ich bekomme dafür weder Geld noch andere Vorteile.





 
 
 

Comments


bottom of page